Im Fokus: Die islamistische Szene in NRW nach dem 07. Oktober 2023
Am 07. Oktober 2023 hat die Hamas Israel angegriffen. Seitdem herrscht Krieg, dessen Folgen weit über Israel und Palästina hinausgehen. Auch in Deutschland und Nordrhein-Westfalen sind die Auswirkungen deutlich spürbar. Unser Themendossier gibt einen Überblick, wie sich die islamistische Szene in NRW seit den Terroranschlägen gegen den Staat Israel verändert und neu konsolidiert hat.
In unserem Dossier erfahren Sie mehr darüber, wie sich die islamistische Szene in NRW nach dem 07.Oktober neukonsolidiert und verändert hat. Dieses Dossier wurde verfasst vom Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen.
Einleitung
Der 7. Oktober 2023 stellt einen tiefen Einschnitt in der Geschichte Israels dar. An diesem Tag ereignete sich einer der verheerendsten Terrorangriffe der Geschichte, vergleichbar mit den Ereignissen des 11. Septembers 2001. Die Folgen und Auswirkungen sind nicht nur vor Ort im Nahen Osten, sondern auch in Deutschland spürbar.
Die Terroranschläge gegen den Staat Israel forderten etwa 1.200 Opfer, 240 Menschen wurden entführt. In Reaktion darauf erklärte Israel den Kriegszustand, mobilisierte 300.000 Reservisten und startete in Gaza am 28. Oktober 2023 eine Bodenoffensive unter dem Namen „Operation Eiserne Schwerter“. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte als Ziel der Offensive die Vernichtung der Hamas und die Befreiung aller Geiseln. Unklar blieb, ob ein massiver militärischer Gegenschlag auch das endgültige Ende der Hamas bedeuten würde. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind bis heute rund 43.000 Todesopfer im Gazastreifen zu verzeichnen.[1]
Bereits am Vormittag des 7. Oktobers, als das volle Ausmaß des Angriffs noch nicht abzusehen war, begann die israelische Luftwaffe mit intensiven Bombardements des Gazastreifens. Auf der Gegenseite verkündete Mohammed Deif, Kommandeur der Qassam-Brigaden, dem militärischen Flügel der HAMAS, in seiner ersten Audioansprache seit 2021 im HAMAS-eigenen Al-Aqsa-TV den Beginn der Operation „Al-Aqsa-Sturm“.
In der Rede rechtfertige er den Angriff als Reaktion auf die „Schändung“ der Al-Aqsa-Moschee und die Tötung und Verwundung Hunderter Palästinenser im Jahr 2023. Ein Sprecher des „Islamischen Jihads“, einer vom Iran beeinflussten palästinensischen Terrororganisation, bestätigte in einer Erklärung die Teilnahme an dem Angriff und begleitete die Terroraktion mit umfassenden Propagandamaßnahmen. Laut einem Bericht der israelischen Armee vom August 2024, waren an dem Terrorangriff der HAMAS 6.000 Angreifer beteiligt, darunter rund 3.800 Kämpfer der „Nukhba“-Eliteeinheit der HAMAS sowie 2.200 Zivilisten und andere Milizionäre, darunter der „Islamischen Jihad“ und die maoistische „Demokratische Front zur Befreiung Palästinas“ (DFLP).
Die Qassam-Brigaden waren insbesondere in den sozialen Medien aktiv und wurden von Presserklärungen der im Ausland lebenden Mitglieder des Politbüros unterstützt, vor allem aus Katar und der Türkei. Abu Ubaida, der seit 2006 als Sprecher der HAMAS fungiert, trat am 9. Oktober 2023 als bekanntes Gesicht der HAMAS-Propaganda in Erscheinung. Sehr schnell erlangte er in den folgenden Tagen und Wochen große überregionale Popularität, vor allem in arabischen und muslimisch geprägten Ländern.
Arabische Medien, wie vor allem der reichweitenstarke katarische Nachrichtensender al-Jazeera, der auch in Europa zu empfangen ist, übertrugen die Verlautbarungen des HAMAS-Sprechers und andere Propagandavideos der al-Qassam-Brigaden ungeschnitten und unkommentiert. Beispielsweise wurden Angriffe auf israelische Soldaten oder die Zerstörung israelischer Panzer aus nächster Nähe mit Helmkameras gezeigt. Gekürzte und bearbeitete Versionen dieser Aufnahmen wurden zusätzlich auf sozialen Medien wie TikTok verbreitet, wo sie insbesondere eine jüngere Zielgruppe ansprechen sollten.
Die Gestaltung dieser Propagandavideos erinnert stark an Videospiele, in denen Feinde aus Ego-Shooter Perspektive durch ein rotes Dreieck als Ziele markiert werden. Ein neues Phänomen ist die Übernahme des mittlerweile als „HAMAS-Dreieck“ bekannten Symbols in der „realen Welt“. Das Symbol wurde auch in NRW und beispielsweise im April 2024 als großes Graffiti am Berliner Hermannplatz in Neukölln festgestellt. Die „Gamifizierung“ und die heroische Inszenierung der Hamas-Propaganda zielen dabei wahrscheinlich sehr bewusst darauf ab, jüngere Anhänger zu rekrutieren. In Deutschland wird das umgekehrte rote Dreieck hingegen als Symbol für politisch Verfolgte im NS-Regime verwendet und findet bis heute Verwendung bei KZ-Überlebenden und Zeitzeugen. Im Gegensatz dazu wird das Hamas-Dreieck häufig in einem antisemitischen Kontext genutzt und impliziert massive Gewalt sowie Drohungen bis hin zur Vernichtung. Ende Oktober 2024 gab das BMI in seiner Funktion als Verbotsbehörde bekannt, dass das auf der Spitze stehende rote Dreieck als Kennzeichen der HAMAS gewertet werden kann und dem Verbot unterliegt, wenn im Gesamtzusammenhang ein Bezug zu der Organisation ersichtlich ist.
[1] https://www.ochaopt.org/, abgerufen am 07.12.24